Das Strategy Canvas ist ein Werkzeug aus der bekannten Blue Ocean Strategie von Kim & Mauborgne (2005 & 2017). Im Rahmen der Blue Ocean Strategie ist es eins der ersten Werkzeuge, das dazu dient den Wettbewerb zu transparent zu machen. Aus dieser geschaffenen Transparenz können dann Potenziale für einen Blue Ocean erarbeitet werden.
Mit Hilfe des Strategy Canvas werden die Spielregeln der Industrie grafisch festgehalten.
Um mit den Worten der Autoren zu sprechen, kommuniziert das Strategy Canvas die Faktoren auf denen der Wettbewerb beruht (auf der X-Achse); das Angebotslevel, das die Kunden bei diesen Faktoren erhalten (auf der Y-Achse); die strategischen Profile (Kurven) von ihrem Unternehmen und dem der Wettbewerber (Kim & Mauborgne 2017, S. 120ff).
Schnellanleitung: Erstellung Strategy Canvas
- Benennen Sie die Faktoren auf denen der Wettbewerb basiert (X-Achse)
- Wählen Sie die Wettbewerber mit denen Sie sich vergleichen
- Vergeben Sie ein Rating für die Faktoren aus Schritt Nr. 1 (1 = niedrig, 3 = mittel, 5 = hoch) (Y-Achse)
- Zeichnen Sie das Canvas
- Definieren Sie einen Slogan
Die Erläuterungen zum Strategy Canvas von den Autoren selber finden Sie hier.
1. Identifizieren Sie Ihre Wettbewerbsfaktoren für das Strategy Canvas
Meistens wissen Sie schon am besten worauf der Wettbewerb basiert, schließlich sind Sie schon lange im Geschäft. Überlegen Sie, welche Aspekte die Kunden immer wieder nennen? Ist den Kunden wichtig, dass die Lieferung immer pünktlich kommt? Oder ist es besser, wenn der Kunde flexibler ist?
Diese Wettbewerbsfaktoren variieren in verschiedenen Industrien selbstverständlich und sind sehr produktspezifisch.
Ihr Geschäftsmodell kann einen ersten Ausgangspunkt für die Überlegungen bilden. Zum Thema Geschäftsmodell gibt es in diesem Guide zum Geschäftsmodell noch viele weitere Tipps.
In der Automobilindustrie sind andere Faktoren wichtig als im Lebensmitteleinzelhandel, daher ist es wichtig, dass Sie Experten oder Kunden verfügbar haben, wenn Sie ein Strategy Canvas erstellen wollen.
Wichtig ist bei den Wettbewerbsfaktoren darauf zu achten, dass diese aus Sicht des Kunden zu sehen sind. Ist dem Kunden z. B. egal in welcher Farbe er sein Produkt erhält, kann die Farbe kein Faktor sein, auf dem der Wettbewerb basiert.
Am besten lassen sich die Wettbewerbsfaktoren deswegen aus Ihren Erfahrungen oder aus Kundengesprächen ableiten. Da dieses Feedback aber nicht immer verfügbar ist, gibt es noch ein paar andere Ansätze.
- Marketingunterlagen von Wettbewerbern
- Stiftung Warentest Faktoren
- B2C-Kundenbewertungsportale
- Statistikportale (z. B. Statista)
- Andere Recherche-Portale
Schauen Sie sich z. B. Ihre Marketingunterlagen oder die Ihrer Wettbewerber an. Welche Punkte werden immer wieder hervorgehoben? Welche Themen wiederholen sich bei den Hauptwettbewerbern? Welche Punkte werden auf den Websites der Unternehmen hervorgehoben?
Um ein Beispiel für die Marketingunterlagen zu betrachten, werden zwei Beispiele aufgezeigt. Einmal der weiter unten erwähnte BMW X7 und einmal der Hyundai Iqonic Hybrid.
Welche Faktoren werden bei einschlägigen Tests, die für die Industrie relevant sind, betrachtet? Dieser Punkt findet meistens nur bei B2C-Märkten Anwendung. Im B2B-Bereich ist der direkte Kontakt zum Kunden der Schlüssel.
Die Autoren der Blue Ocean Strategie teilen die Wettbewerbsfaktoren in die Kategorien Produkt, Service und Lieferung ein. Dabei wird empfohlen mindestens 5 und maximal 12 Faktoren zu identifizieren .
Liste mit generischen Wettbewerbsfaktoren
-
- Preis
- Garantie
- Money Back (z. B. 30 Tage vs. 90 Tage)
- Qualität
- Kundenbewertung
- Technologie
- Material (chemiefrei) → Öko-Zertifikat
- Lieferzeit
- Bearbeitungszeit
- Antwortzeit
- Entwicklungszeit
- Produktqualität
- Produktverfügbarkeit
- Produktvielfalt
- Lieferbedingungen
- Zahlungsmöglichkeiten
- Übersichtlichkeit der Website
- Kundenservice
- Serviceverfügbarkeit
- Unterstützung bei Nutzung/Installation
- Kundenorientiertheit
- Zertifizierungen
- Zubereitungszeit
- Emotionen in der Anwendung des Produkts → (Sozialer) Status
- Symbolcharakter des Services/Produkts
- Technische Kompetenz
- Customizability
Ein paar Tipps für das Identifizieren der Wettbewerbsfaktoren im Team. Lassen Sie die Teammitglieder – jeder für sich – die Faktoren aufschreiben und brainstormen. Danach können Sie die Faktoren gemeinsam besprechen und haben dadurch eine größere Auswahl und entdecken Aspekte, die Sie nicht hätten, wenn Sie ein Plenumsdiskussion gemacht hätten.
2. Wählen Sie einen Wettbewerber zum Vergleich
Nehmen Sie Ihren stärksten Wettbewerber und schauen Sie sich die Wettbewerbsfaktoren an. Wenn Sie mehrere Profile analysieren, laufen Sie eventuell Gefahr die Analyse zu unübersichtlich für einen Erkenntnisgewinn zu machen.
Es geht bei der Bewertung auch nicht darum die kleinsten Unterschiede auszumachen. Vielmehr geht es bei der Analyse darum das strategische Profil der Unternehmen und der Industrie zu verstehen.
Oft ist es so, dass die Profile von großen Firmen teilweise sehr ähnlich sind. Das ist übrigens auch ein starker Erkenntnisgewinn. Die Erkenntnis, dass es kaum Differenzierungsmerkmale zwischen Ihrem Unternehmen und dem Ihrer Wettbewerber gibt, öffnen oft erst das Mindset für die notwendigen Innovationen.
Achten Sie bei der Auswahl der Wettbewerber auch wieder auf die Kundensicht, da diese entscheidend ist. Wenn aus Kundensicht bestimmte Unternehmen direkte Wettbewerber sind, können Sie diese Profile mitaufnehmen, wenn nicht ist der Erkenntnisgewinn eingeschränkt.
Ein Kunde, der sich einen BMW X7 kaufen will, vergleicht das Angebot nicht mit einem Hyundai i30, sondern viel eher mit einem Audi Q7. Wenn BMW also ein Strategy Canvas für seine größte SUV-Linie machen möchte, sollte als Wettbewerber nicht Hyundai genommen werden. Die Kundensicht ist für die Auswahl des direkten Wettbewerbers entscheidend.
Um verschiedene Szenarien durchzuspielen, können verschiedene Strategy Canvases erstellt werden. Der Rechercheaufwand für ein verlässliches Strategy Canvas kann allerdigs hoch werden, daher sollte bei der Auswahl der Wettbewerber immer der Erkenntnisgewinn im Vordergrund stehen.
Da die Kurven häufig dicht beieinander liegen, empfiehlt es sich neben dem eigenen Unternehmen maximal zwei zusätzliche Kurven zu haben, da die Transparenz mit jeder zusätzliche Kurven sinkt.
3. Vergeben Sie ein Rating
Jetzt bewerten Sie Ihre Firma und Ihr Angebot gegen das des Wettbewerbers. Halten Sie die Bewertung einfach.
Haben Sie die Gründe für die Bewertung verfügbar, um Rückfragen bei Präsentationen beantworten zu können und um in Zukunft nachvollziehen zu können welche Gründe und Annahmen den Bewertungen zugrunde lagen.
Das Rating folgt nach Kim und Mauborgne (2017) einer Likert-Skala, kann aber auch variiert werden. Bei der Likert-Skala entspricht die 1 = niedrig; 3 = mittel; 5 = hoch.
Beachten Sie auch die Relation des Ratings. Wie bei den Faktoren, bestimmt die Kundensicht auch die Gewichtung der Ratings.
Relation der Bewertung – Beispiel
Eine Industrie hat ein Niedrigpreis- und ein Hochpreis-Segment. Das Zielobjekt der Analyse ist im Hochpreis-Segment (Firma A), ebenso wie der Hauptwettbewerber (Firma B).
Die Kundenperspektive entscheidet über das Rating. Betrachtet der Kunde nur die hochpreisigen Angebote untereinander, ist Perspektive a) die richtige. Sieht der Kunde alle Angebot in der Industrie in einem, dann ist Perspektive b) anzuwenden.
Kim und Mauborgne stellen auch dar, dass die Faktoren das sind, was der Kunde erhält. D. h. ein Kunde erhält bei einem Produkt 10 Features und bei einem anderen 20, dann ist der Faktor entsprechend höher zu bewerten.
Darüber hinaus zeigt die Vergabe der Bewertung auch, wie gut Sie Ihren Markt und Ihre Wettbewerber kennen. Dabei geht es nicht darum, ob Sie die Zahlen detailliert kennen, sondern zu wissen, wo das eigene Unternehmen im Gesamtmarkt (auf den Faktoren) steht. Das ist ein wichtiger Aspekt, da diese Übung häufig sensibilisierend wirkt und Mitarbeiter anregt verstärkt über die eigene Positionierung nachzudenken.
Vergleichen Sie z. B. das herkömmliche Fernsehen aus der (Kabel)dose mit Netflix, wird schnell klar, dass die Auswahl der Filme um ein Vielfaches höher ist. Aus Kundensicht wird somit die Anzahl der Kanäle auf dem Kabelfernsehen vs. die durchschnittlich 3794 Filme auf Netflix (Comparitech 2018) klar mit 1 bewertet.
Seien Sie bei der Vergabe der Bewertung nicht zu perfektionistisch. Das Strategy Canvas soll kein Analyse sein, bei der es um 0,1 Punkte Unterschied geht, sondern es geht darum das strategische Profil der Wettbewerber darzustellen. Halten Sie sich nicht zu lange damit auf eine möglichst genaue Bewertung zu verteilen. Eine Einschätzung aus Kundensicht reicht meist aus, um die Differenzierung darzustellen.
4. Zeichnen Sie das Strategy Canvas
Zeichnen Sie ein Linienchart mit den Daten, die Sie gesammelt haben.
Tragen Sie den Preis als ersten Faktor ein und sortieren Sie die Faktoren nach ihren Ratings. So vermeiden Sie unübersichtliche Zick-Zack-Formen. Wie eine Zick-Zack-Form aussieht, sehen Sie hier.
Wenn Sie Excel verwenden, wählen Sie die Spalten aus und sortieren Sie diese (nach Ihrem Profil) absteigend oder aufsteigend (was für Sie sinnvoller erscheint).
Ein Tipp für weitere Übersichtlichkeit ist das Ausblenden von vertikalen und horizontalen Gitterlinien im Diagramm. Ohne diese Linien wirkt Ihr Diagramm übersichtlicher und aufgeräumter. Das hilft das Diagramm zu interpretieren.
Zwei Strategy Canvas Beispiele
5. Leiten Sie einen Slogan ab
Aus der Kurve, die Sie erhalten, leiten Sie nun einen Slogan ab. Der Slogan sollte kurz und bündig die Kurve beschreiben und das Angebot zusammenfassen.
Bei dieser Übung wird klar, ob es ggf. Unstimmigkeiten in der Positionierung der Firmen gibt. Dieser Schritt ist ein wichtiger Faktor für die weiteren Arbeiten mit der Blue Ocean Strategie (Kim & Mauborgne 2017).
Strategy Canvas erstellt – und jetzt?
Wenn Sie alle Punkte erledigt haben, werden Sie ein übersichtliches Bild über die Positionierung Ihres Unternehmens in Ihrer Industrie haben.
Vielleicht stellen Sie auch fest, dass Sie und Ihrer Wettbewerber aus Kundensicht deckungsgleich sind. Für nachhaltige Wettbewerbsvorteile ist das keine geeignete Ausgangsposition.
Wenn Sie verstehen wo Sie sich auf dem Spielfeld befinden, können Sie anfangen sich die nächsten Züge zu überlegen. Auf dem Weg zu mehr Umsatz, neuen Märkten und einem nachhaltigen Erfolgskonzept ist dieses Werkzeug der erste Schritt.
Das Strategy Canvas ist ein Werkzeug, das wir im Rahmen unseres Beratungsprozesses bei unseren Mandanten anwenden, um nachhaltig neue Märkte zu schaffen.
Bibliography
Bmw x7: Highlights entdecken | bmw. De. (o. J.). Abgerufen 16. Januar 2020, von https://www.bmw.de/de/neufahrzeuge/x/x7/2018/bmw-x7-entdecken.html
Hyundai Ioniq-Hybrid (o.J.). Abgerufen 18. Januar 2020, von https://www.hyundai.de/modelle/ioniq-hybrid/
Kim, W. C., & Mauborgne, R. (2005). Blue ocean strategy: How to create uncontested market space and make the competition irrelevant. Harvard Business School Press.
Kim, W. C., & Mauborgne, R. (2017). Blue ocean shift: Beyond competing: proven steps to inspire confidence and seize new growth. Macmillan.
Which countries pay the most and least for Netflix? (2018, November 26). Comparitech. https://www.comparitech.com/blog/vpn-privacy/countries-netflix-cost/